Im Schleppflug nach England
von Jürgen Dreßler und Michael Herms
Neue Herausforderungen | ||
Schon in den vergangenen Jahren unternahmen Mitglieder unseres Vereins Flüge mit Motorseglern über die Grenzen unseres Landes hinaus. So flogen Jürgen Dreßler und Michael Herms 1995 mit dem nur 45 PS starken B Falken zum ersten Mal nach England und 1997 erreichten wir mit der rumänischen IS 28 nach Überquerung der Alpen und des Mittelmeeres Tunesien (siehe Bericht "Mit dem Motorsegler nach Afrika"). Auf der Suche nach neuen Herausforderungen wurde im Herbst 1997 die Idee geboren, ein Segelflugzeug mit einem Motorsegler nach England zu schleppen. Hintergrund war einerseits die Flugkosten zu verringern und andererseits ein Vereinserlebnis zu schaffen, bei dem auch die eingefleischten Segelflieger unter unseren Mitgliedern auf ihre Kosten kommen würden.
Die Ausgangssituation war jedoch denkbar ungünstig: Weder verfügten wir zu diesem Zeitpunkt über ein Schleppflugzeug und einen geeigneten, doppelsitzigen Segelflieger, noch besaß einer unserer Piloten die Berechtigung zum Motorseglerschlepp. Mit der Anschaffung eines betagten Bergfalken und einer HB 23 SCANLINER durch die Privatinitiative von Dr. Roland Scheffel waren die materiellen Voraussetzungen dann aber bereits im April 1998 geschaffen. Nach dem Sammeln der nötigen Flugerfahrung (min. 5 Stunden) auf der optisch recht ungewöhnlichen, aber gutmütigen HB 23 erhielten Roland Scheffel, Jürgen Dreßler und Michael Herms im Sommer 1998 ihre Schleppberechtigung. Somit waren alle Voraussetzungen für unseren Schleppflug nach England gegeben. Schon in den vergangenen Jahren unternahmen einzelne Mitglieder unseres Vereins Flüge mit Motorseglern über die Grenzen unseres Landes hinaus. So flogen Jürgen Dreßler und Michael Herms 1995 mit dem nur 45 PS starken B-Falken zum ersten mal nach England und 1997 erreichten sie mit der rumänischen IS 28 nach Überquerung der Alpen und des Mittelmeeres Tunesien. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen wurde im Herbst 1997 die Idee geboren, ein Segelflugzeug mit einem Motorsegler nach England zu schleppen. Hintergrund war einerseits, die Flugkosten zu verringern und andererseits, ein Vereinserlebnis zu schaffen, bei dem auch die eingefleischten Segelflieger unter unseren Mitgliedern auf ihre Kosten kommen würden.
Die Ausgangssituation war jedoch denkbar
ungünstig: Weder verfügten wir zu diesem Zeitpunkt über ein Schleppflugzeug und
einen geeigneten, doppelsitzigen Segelflieger, noch besaß einer unserer Piloten
die Berechtigung zum Motorseglerschlepp. Mit der Anschaffung eines betagten
Bergfalken und einer HB 23 SCANLINER durch die Privatinitiative von Dr. Roland
Scheffel waren die materiellen Voraussetzungen dann aber bereits im April 1998
geschaffen. Nach dem Sammeln der nötigen Flugerfahrung (min. 5 Stunden) auf der
optisch recht ungewöhnlichen, aber gutmütigen HB 23 erhielten Roland Scheffel,
Jürgen Dreßler und Michael Herms im Sommer 1998 ihre Schleppberechtigung. Somit
waren alle Voraussetzungen für unseren Schleppflug nach England gegeben. |
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Vorbereitungen | ||
Um das Handling des Seglers am Boden mit eigenen Kräften zu gewährleisten, sollte eine dritte Besatzung den Schleppzug mit der IS 28 begleiten. Da noch weitere Piloten die Gelegenheit für einen Flug ins Ausland nutzen wollten, gesellte sich schließlich auch noch der B-Falke zu unserem Verband. Nun, da die Besatzungen feststanden, wurden wir uns auch über Ziel und Termin schnell einig: Shoreham Airport und der September 1998.
Jetzt konnten wir uns der unmittelbaren Flugvorbereitung widmen. Neben der Beschaffung des notwendigen Kartenmaterials und der navigatorischen Vorbereitung organisierten wir mehrere Trainingsabende, um die Kenntnisse der Besatzungen im englischen Sprechfunk auf das erforderliche Niveau zu bringen. Roland Scheffel verfolgte derweil aufmerksam die Wetterentwicklung, um den genauen Starttermin festzulegen. Durch die Teilnahme des Falken mit seinen knapp 300 km Reichweite musste auch die Route neu festgelegt werden. Wie schon drei Jahre zuvor entschieden wir uns für Aachen und Kortrijk-Wevelgem für die Tankstops. Das Interesse des MDR an unserem Unternehmen
ermöglichte es letztlich auch den „nichtfliegenden“ Frauen unserer Piloten an
diesem Flug teilzunehmen. Sie fanden in der Begleitmaschine des Kamerateams
Platz. |
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Die erste Etappe | ||
Am 9. September, dem Vorabend unseres geplanten Starttermins, trafen sich alle Besatzungen zu letzten Vorbereitungen auf dem Flugplatz Eisenach. Die Wetterprognosen für den folgenden Tag waren äußerst ungünstig. Wir ließen uns jedoch nicht entmutigen und nach einem letzten Check der Maschinen und dem Verstauen des Gepäcks wurde nach Segelfliegertradition im Flugplatzrestaurant „Wetter gemacht“. Der Morgen des 10. September überrascht uns mit Sonnenschein, aber starkem Wind. Nach einer letzten Wetterberatung entscheidet unser „Chefmeteorologe“ Roland Scheffel: „Entweder wir starten sofort oder gar nicht mehr!“. Das bringt Bewegung in unsere Reihen. Bei dem starken Westwind braucht die HB 23 kaum 300 m, um mit dem Bergfalken im Schlepp von der Piste 28 abzuheben. Es ist 6:01 UTC. Entsprechend unseren vorherigen Absprachen übernimmt der Schleppzug die Führung. Jürgen Dreßler, der auf dieser Etappe die HB 23 fliegt, drosselt auf 60 - 65 kt, um die höchstzulässige Schleppgeschwindigkeit des Bergfalken nicht zu überschreiten. Dennoch muss sich Roland Scheffel mit dem B-Falken beeilen, um den Schleppzug einzuholen. Nur Michael Herms kann sich mit der gut 100 kt schnellen IS 28 etwas mehr Zeit gönnen.
Mit 2500 ft gibt der Schleppzug die Reiseflughöhe vor. Die Sicht ist hervorragend, aber voraus, im Westen zeichnet sich bereits das angekündigte Frontensystem ab. Die ersten Ausläufer des Rothaargebirges liegen unter uns und die Turbulenzen nehmen zu. Die Wolkendecke ist jetzt geschlossen und lässt nur wenig Luft zwischen Himmel und Erde. Immer wieder zwingen tief herabhängende Wolkenfetzen Jürgen Dreßler zu unangekündigten Abwärtsschlepps. Für Heike und Phillip Scheffel, die Besatzung des Bergfalken, bedeutet das erhöhten Stress. In diesem Gelände gibt es keine Möglichkeit zur Außenlandung und die heftigen Turbulenzen verlangen ihnen auch fliegerisch alles ab. Boden- und Horizontalsicht bleiben jedoch auch unter den Wolken außergewöhnlich gut, nur der starke Gegenwind lässt unsere Groundspeed stellenweise auf 30 kt sinken. Roland Scheffel hat sich etwas vom Verband entfernt und versucht durch geschickte Ausnutzung von Aufwinden Sprit zu sparen. Entgegen seinen optimistischen Vorhersagen lässt ihm der starke Wind jedoch keine Chance. Kurz vor Siegerland schert er aus dem Verband aus und setzt zur Landung in Breitscheid an. Der Verband nimmt jetzt Kurs auf Bad
Neuenahr- Ahrweiler um den Luftraum Charlie von Köln- Bonn zu umfliegen.
Die Wolken zwingen uns stellenweise auf unter 1500 ft. Doch auch das
Gelände sinkt wieder ab. Nur am Rhein wird es noch einmal eng, dann weicht
das Gelände nach unten zurück, wird flach wie eine Tischplatte. Auch die
Wolkendecke reißt jetzt auf und zwischen großflächigen Schauern schaut ab
und an die Sonne hervor. Roland Scheffel meldet sich wieder im Funk. Er
hat die Betankung in Breitscheid in Rekordzeit geschafft und ist nur noch
wenige Kilometer hinter uns. Der Verband erreicht Aachen somit, wie
geplant, in voller Stärke. Für die 170 NM (310 km) haben wir etwas mehr
als 4 Stunden benötigt. Heute werden wir England nicht mehr erreichen. |
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Aachen | ||
Während die Maschinen betankt werden holt Roland Scheffel die Wetterberatung ein und Michael Herms kümmert sich um den Flugplan. Die Meteorologen machen uns Hoffnung. Zwar zieht von Westen eine neue Front heran, aber wenn wir uns beeilen, können wir es wenigstens bis Kortrijk schaffen. Die Stunde nach Aufgabe des Flugplanes nutzen wir zu einer kleinen Stärkung im Flugplatzrestaurant. Noch beim Mittagessen erreicht uns ein Fax vom Flugplatz Kortrijk. Die belgischen Controller raten uns dringend von dem geplanten Flug ab. Sie haben eine Wetterwarnung vorliegen, mit schweren Schauern und Gewittern. Roland Scheffel ruft erneut die Flugwetterberatung an, doch die Meteorologen wollen sich nicht genau festlegen. Es kann sein, dass die Front schneller heranzieht als ursprünglich erwartet. Auch für den nächsten Tag sind die Aussichten nicht besser. Leider gibt es auf unserer geplanten Route nur zwei Militärflugplätze als Ausweichmöglichkeit für den Notfall. Einfach losfliegen, so weit wie es eben geht, scheidet also auch aus. Safety first: Wir canceln unseren Flugplan und beschließen, in Aachen zu übernachten. Auf dem Gelände eines örtlichen Segelflugvereins können wir unsere Zelte aufbauen. Helmuth Reuss, ein Arbeitskollege Jürgen Dreßlers aus Eschweiler, der einige Jahre in Thüringen arbeitete, versorgt uns rührend mit Lebensmitteln und trägt in seiner rheinischen Art zu einem schönen Abend im Fliegerheim bei. Ein Rundflug über seiner Heimatstadt ist unser Dank. 11. September 1998, Zelte und Gepäck
sind verstaut, der Flugplan ist aufgegeben. Der starke Wind hat sich etwas
beruhigt und alle sind zuversichtlich, heute England zu erreichen. Auch
die unverändert schlechten Wetterprognosen der Meteorologen können uns
diesmal nicht aufhalten. Besatzungswechsel, Michael Herms fliegt von nun
an die HB 23. Er wird den Verband führen, spricht er doch von allen
Beteiligten das beste Englisch. Der Wind kommt etwas von der Seite und in
Anbetracht der gut beladenen HB 23 (Pilot + 35 kg Gepäck + 100 l
Treibstoff) sowie des schweren Seglers erscheinen uns die 600 m Asphalt
reichlich knapp. So bauen wir den Schleppzug noch vor der Schwelle, auf
dem Grasstreifen auf. Dadurch gewinnen wir gut 100 m. Inzwischen hat sich
unser Vorhaben herumgesprochen und viele neugierige und wohl auch
skeptische Augen verfolgen unser Tun. |
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Schauer über Kortrijk | ||
Start: Die 110 PS des Porsche Austria heulen auf, doch nur langsam kommt der Schleppzug in Bewegung. Das hohe Gras bremst gewaltig. Manfred Stuck kommt ins Stolpern und lässt die Fläche zu früh los. Bei der geringen Geschwindigkeit hat Phillip Scheffel, der Pilot des Seglers, keine Chance die Querlage zu halten - Startabbruch. Beim zweiten Versuch übernimmt ein einheimischer Flieger die Rolle des Starthelfers. Diesmal klappt alles. Bereits in Bahnmitte ist die HB 23 in der Luft und geht mit gut 300 ft/min in den Steigflug. Der Falke und die IS 28 schließen nur Minuten später zum Verband auf. Wir fliegen in V Formation, voraus die HB 23. Die beiden anderen Motorsegler flankieren den Bergfalken in einem Abstand von 50 bis 100 m. Wir haben 5/8 Cumulus in 3000 ft, die Sicht ist phantastisch und voraus zeichnet die Maas deutlich die deutsch holländische Grenze. Kaum fünf Minuten dauert der Flug durch den südlichsten Zipfel des holländischen Luftraumes, kaum genug Zeit zur Abwicklung des notwendigen Funkverkehrs, dann sind wir in Belgien. Der Luftraum wird unübersichtlich, mehrere militärische Kontrollzonen, überlagert von den verschiedenen Nahverkehrsbereichen (Airspace Bravo) des Brüsseler Flughafens, verlangen exakte Navigation. Auch im Funk herrscht Hochbetrieb. Michael Herms hat alle Hände voll zu tun, neben der Navigation und dem Einholen der notwendigen Freigaben muss er schließlich auch noch fliegen. Die Besatzungen der anderen Maschinen genießen derweil den herrlichen Flug über Belgien. Voraus wird es langsam dunkel. Mitten über Kortrijk steht ein ausgedehnter Schauer. Umfliegen ist unmöglich. Wir müssen ihn am Rande tangieren, um den Flugplatz zu erreichen. Die Formation löst sich auf. Im schweren Regen geht die Sicht stellenweise auf 1 km zurück. Jeder kämpft jetzt für sich allein. Der 45 PS Stamo Motor des B-Falken beginnt zu husten - Vergaservereisung. Das Betätigen der Vorwärmung behebt das Problem jedoch schnell. Größere Probleme hat der Schleppzug, durch den starken Regen fallen bei der HB 23 Fahrtmesser- und Variometeranzeige aus (die Nadel des Fahrtmessers steht wie angeklebt bei gut 80 kt, dort steht sie auch noch nach der Landung). Von nun an bekommt die HB ihre Geschwindigkeit vom Segler über Funk. Dennoch meistern alle die Situation, kurz nach 10:00 UTC stehen alle Maschinen wohlbehalten auf dem regennassen Vorfeld von Kortrijk -Wevelgem. Ein besonderes Kompliment muss man insbesondere der Seglerbesatzung machen, ist es doch besonders schwierig, bei Regen und miserabler Sicht das Seil straff zu halten. Zudem weist unser alter Bergfalke doch eine Menge undichter Stellen auf und in dem Schauer ergossen sich wahre Sturzbäche über die frierenden Piloten.
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Über dem Kanal | ||
Unkompliziert gestaltet sich auch hier in Belgien die Handhabung des Seglers am Boden. Mit der Unterstützung ansässiger Segelflieger steht der Bergfalke rasch wieder neben unseren Motorseglern. Während die Front über uns hinweg zieht, kümmern wir uns um Betankung, Zoll und Flugplanaufgabe. Bei einer Tasse Kaffee erläutert Roland Scheffel die Wettersituation. Die Chancen stehen gut, allerdings zieht von Westen erneut eine Front heran, viel Zeit bleibt uns also nicht. Rasch sind die Flugzeuge am Startpunkt aufgestellt. Die Schwimmwesten werden angelegt, für die meisten von uns geht es das erste Mal über offenes Wasser und die Aufregung ist deutlich spürbar. Heiterkeit macht sich jedoch breit, als Wolf Keuterling seine Schwimmweste auspackt. Ein Monstrum mit festen Auftriebskörpern, das ihm kaum noch Bewegungsfreiheit in dem engen Cockpit lässt.
Um 12:14 UTC startet der Verband in kurzer Folge zur Kanalüberquerung. Die Sicht, in der vom Regen klaren Luft, ist überwältigend. Nach 45 Minuten erreichen wir die französische Grenze. Der Funkverkehr, jetzt mit Lille Approach, beschränkt sich auf das Nötigste. Nach Zuweisung eines neuen Transpondercodes heißt es nur: „OE 9298, radar contact, cleared for FL 45, report middle of channel“. Langsam zoomt von Norden her die Küste heran. Direkt über den Hafenanlagen von Calais dreht unser Verband nach Norden, aufs Wasser hinaus - Kurs Dover. Bei strahlendem Sonnenschein leuchtet das Wasser in den herrlichsten Farben. Ein tolles Gefühl, auch wenn sich der Gedanke an eine mögliche Notwasserung nicht ganz verscheuchen lässt. Besonders gilt dies natürlich für Heike Scheffel und Jürgen Dreßler, die Seglerbesatzung, deren Freude zudem durch eine Eigenart unseres Bergfalken leicht getrübt wird: Entgegen der landläufigen Vorstellung von der Ruhe des Segelfluges pfeift der Fahrtwind durch die Dichtungen von Bugkupplung und Cockpithaube unseres betagten Bergfalken und verursacht ziemlichen Lärm. Schon wenige Minuten später schält sich weit voraus die englische Küste aus dem leichten Dunst. Sie liegt im Schatten einzelner, größerer Schauer. Dann sind die Kreidefelsen von Dover deutlich zu erkennen, ein erhebender Anblick. Aus dieser Position sollte es selbst der Bergfalke schaffen, im Gleitflug die Küste zu erreichen. Wieder Kurswechsel, diesmal nach Westen. Leider können wir der herrlichen Küste nicht direkt folgen, die Schauer zwingen uns ca. 10 km landeinwärts. Nur knapp 100 km trennen uns noch von Shoreham, unserem Zielflughafen. Kurz vor Brighton lösen wir den Verband auf, der Flugplatz ist in Sicht. Phillip Scheffel hat das Triebwerk abgestellt und nutzt die kräftige Thermik als Ersatz für die erschöpften Kraftstoffvorräte des B-Falken. Als erste Maschine unseres Verbandes setzt um 17:10 UTC der Bergfalke auf englischem Boden auf. Die Motorsegler folgen unmittelbar.
Alle sind begeistert, das Ziel erreicht
zu haben - aber auch die Anspannung der letzten Tage macht sich bemerkbar.
Nach den üblichen Formalitäten geht es darum per Taxi in ein bequemes
Hotel. Am Abend feiern wir unseren Erfolg in einem gemütlichen Pub. |
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Regen | ||
12. September 1998, wir treffen uns beim Frühstück. Der Blick zum noch blauen Himmel lässt zunächst hoffen. Unser Wetterprofi Roland Scheffel dämpft jedoch den aufkommenden Optimismus. Ein Telefonat mit dem Wetteramt Leipzig, damit hatten wir bisher die besten Erfahrungen gesammelt, brachte uns wieder auf den Boden der Realität zurück. Roland bringt es auf den Punkt: „Entweder sofort starten oder Überwintern“. Die heranströmenden Tiefs führen ausgedehnte Niederschlagsgebiete mit. Alle beeilen sich, schnell zum Flugplatz zu gelangen, doch die Taxis lassen auf sich warten. Man kann zusehen, wie sich der Himmel verdunkelt. Lediglich die Besatzung unserer Begleitmaschine kommt schnell genug vom Hotel weg. Als wir ca. 30 Minuten später den Flugplatz erreichen, beginnt es bereits zu regnen. Die Begleit-Cessna sehen wir nur noch abfliegen.
Unmöglich, in dem strömenden Regen noch zu starten. Eine Satellitenaufnahme macht uns jedoch wieder Mut, zeigt sich doch ein wolkenarmer Streifen, der auf uns zu kommt. Gegen 11.30 Uhr lässt der Regen nach und die Sonne schaut wieder hervor. Unsere Absicht, bis kurz vor dem Eintreffen der nächsten Front zu warten, um dann in der Lücke über den Kanal hinweg wieder bis nach Kortrijk zu gelangen, scheiterte an der Öffnungszeit des Flugplatzes an diesem Tag. Wegen einer Veranstaltung macht der Platz 12.00 Uhr lokal zu. Also starten wir in erprobter Reihenfolge von der Graspiste 25, in der Hoffnung, wenigstens bis Lydd zu gelangen. Diesmal können wir entlang der Küste fliegen, jedoch lässt uns das Wetter die interessante Landschaft nicht genießen. Bereits einige Kilometer vor Lydd haben wir die nach Osten abziehende Front wieder eingeholt. Die IS geht bei strömenden Regen auf die Bahn. Der B-Falke und der Schleppzug kreisen noch ca. 10 Minuten in Platznähe, bis der Regen nachgelassen hat. Die IS 28 Besatzung organisiert derweil am Boden den Transport des Seglers mit der Feuerwehr. Als die englische Flughafenbesatzung unseren Segler sieht, haben sie nur eine Bemerkung, „Crazy Germans“. Wir stellen unser Maschinen ab und verankerten sie gut. Hier, in unmittelbarer Küstennähe, geht ein straffer Wind.
Um der Front genügend Vorsprung zu geben, gehen wir zunächst in Ruhe zum Essen. 17:05 UTC starten wir dann erneut mit dem Ziel Kortijk. Höchste Zeit, denn das folgende Regengebiet hat den Flugplatz fast erreicht. Durch einen herrlichen Regenbogen geht es auf Kurs Dover. In ruhiger Luft überfliegen wir den Kanal, und wieder ist es freundlich, Sonnenschein. In Richtung unseres Kurses wird es jedoch immer dunkler. Bei herrlichem, tiefgehenden Licht überfliegen wir Frankreich, doch etwa an der Grenze zu Belgien haben wir die Front erneut erreicht. Sie zwingt uns, immer tiefer zu fliegen, aber noch regnet es nicht. Doch 10 km vor unserem Ziel scheint es nicht mehr weiter zu gehen. Der Schleppzug beginnt zu kreisen. Die IS 28 wird zur Erkundung voraus gesandt. Sie kommt bis zum Flugplatz und gibt das OK für den Verband, mit den letzten Tropfen der abziehenden Front landet die IS 28 in Kortijk. Es ist 18:40 UTC und fast schon dunkel, als 10 Minuten später die anderen Maschinen folgen. Am Abend finden wir herzliche Aufnahme
bei den Segelfliegern und können in ihrem Vereinsgebäude übernachten. Es
regnet die ganze Nacht, niemand glaubt so recht an die Möglichkeit eines
Weiterfluges am nächsten Tag. |
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Nach Hause | ||
Der Morgen des 13. September ist grau und mit tiefen Wolken verhangen. Eine Wetterbesserung ist nicht zu erwarten. Doch die Wetterberatung verspricht nach Osten zu ansteigende Basishöhen und vertretbare Sichten. Mit gemischten Gefühlen machen wir unsere Maschinen startklar. Der Flugplan sieht Bonn-Hangelar als Zielflugplatz vor. Wir haben den Wind im Rücken und mit etwas Glück können wir es so mit nur einer Zwischenlandung bis Eisenach schaffen. Jürgen Dreßler, der mit Michael Herms die IS 28 nach Hause fliegen wird, hält die Fläche des Bergfalken. Erneut setzt leichter Regen ein, als der Schleppzug in den grauen Himmel aufsteigt. Der B-Falke ist Nummer zwei, aber das Triebwerk springt nicht mehr an. Jürgen rennt hin und wirft den Motor von Hand an. Doch trotz Vollgas rührt sich die SF 25 nicht von der Stelle. In dem aufgeweichten Grasboden des Abstellplatzes sind die Räder tief eingesunken. Da hilft nur schieben. Endlich erreicht die Maschine den Asphalt und rollt zum Start. Als Jürgen, nass vom Regen und außer Atem ins Cockpit der IS 28 klettert, bewegt sich auch hier nichts mehr. Also wieder raus und erneut schieben. Es regnet in Strömen, als endlich auch die IS 28 startet. Von den anderen Maschinen des Verbandes ist längst nichts mehr zu sehen. Es dauert fast 20 Minuten, bis der B-Falke in Sicht kommt und der Verband sich wieder sammelt. Die Wetterprognose scheint jedoch zu stimmen, obwohl es immer wieder regnet ist die Sicht zwischen den Schauern gut und auch die Basis steigt langsam an. Die Kontrollzonen der Militärplätze sind Sonntags nicht aktiv, so dass wir - ungeachtet unserer niedrigen Höhe - ohne weitere Probleme die deutsche Grenze erreichen. Nörvenich CTR ist zwar aktiv, doch der Durchflug wird sofort genehmigt, so dass wir Bonn-Hangelar direkt anfliegen können. Während wir unsere Maschinen betanken, wird Michael zum Tower gerufen. Der Flugplan kann nicht geschlossen werden, von den vier gemeldeten Maschinen sind erst drei gelandet. Wir sehen uns ratlos an, als Michael zurückkommt: Alle Motorsegler stehen an der Tankstelle! Das Problem klärt sich jedoch schnell auf. Phillip Scheffel ist nach dem Auskuppeln mit dem Bergfalken nicht wie erwartet auf der Segelflugbahn gelandet. Zusammen mit mehreren einheimischen Seglern nutzt er die einsetzende Thermik zu einem Rundflug über Bonn. Das aufklarende Wetter macht uns neue Hoffnung. Auch das Rothaargebirge wird uns nicht mehr aufhalten. Noch eine Tasse Kaffe und unsere Maschinen rollen wieder an den Start. Der Schleppzug startet direkt von der Segelflugbahn, die örtlichen Segelflieger helfen gern dabei. Die letzte Etappe liegt vor uns und das Wetter ist diesmal auf unserer Seite. Je weiter wir nach Osten vordringen, desto mehr lockert die Bewölkung auf. Wir steigen kontinuierlich, doch erst in einer größeren Lücke ergibt sich auch für den Schleppzug die Möglichkeit, „On Top“ zu gehen. Bei 4500 ft passieren wir die Null-Grad-Grenze. Ohne Schwierigkeiten schleppt die HB 23 den Segler in der kalten Luft auf über 6000 ft. Ein speziell für die Segelflieger unter uns seltenes, aber grandioses Panorama lässt uns die letzte Etappe dieses Fluges genießen. Etwa 20 km vor Eisenach löst sich der Segler vom Seil und auch die Motorsegler schalten ihre Triebwerke ab. 15:32 UTC landet die IS 28 als erste auf dem heimatlichen Flugplatz. Bei einem aufwärmenden Grog, insbesondere für die Seglerbesatzung, feiern wir das glückliche Gelingen unseres Unternehmens.
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Resümee | ||
Bei vernünftiger Vorbereitung und Organisation bereitet die Logistik eines solchen Fluges keine größeren Schwierigkeiten. Auch die Technik, insbesondere die HB 23, erwies sich als äußerst zuverlässig und problemlos. Somit erscheinen mit diesem Motorsegler auch Schleppflüge über große Distanzen, selbst unter ungünstigen meteorologischen Bedingungen, sicher machbar. Die angedachte Reduzierung der Flugkosten hielt sich jedoch in bescheidenen Grenzen. Erhöhter Treibstoffverbrauch (16,5 l/h) und geringe Reisegeschwindigkeit (60 - 65 kt) schlagen hier negativ zu Buche. Insgesamt hatte der Flug für alle Beteiligten einen sehr hohen Erlebniswert. Dazu kommt sich ein unbezahlbarer Erfahrungsgewinn. Außerdem bietet sich auf diese Weise auch weniger erfahrenen Piloten die Möglichkeit, andere Länder mit dem Flugzeug zu erkunden. |
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