Segelfliegen mit Klaus Ohlmann in Serres/Frankreich 2003 Bericht
vom "Intensivlehrgang Alpensegelflug" von Christian Holzner Klaus
Ohlmann ist wohl jedem Segelflieger seit seinen letzten Rekordflügen in
Argentinien ein Begriff. Sein letzter Rekord über 3008 km ist ja noch
taufrisch und schon träumt er von Strecken über 2000 km in Europa. Klaus
Ohlmann gilt als der Wellenspezialist schlechthin und hat sich inzwischen
von seinem Zahnarztberuf fast völlig verabschiedet, um sich 100% der
Fliegerei zu widmen. Im Sommer ist er daher in seiner Wahlheimat
Frankreich, genauer gesagt in Serres auf seinem Flugplatz zu finden. Er führt
dort u.a. geführte Flüge mit einer Gruppe von drei Segelfliegern durch.
Außerdem kann man auch bei ihm direkt im Doppelsitzer mitfliegen oder
einfach selbst die Gegend erkunden. Nachdem
ich (ab) heuer dem Streckensegelflug mehr Zeit widmen will, war ich natürlich
auf der Suche nach Möglichkeiten, das notwendige Basiswissen so schnell
wie möglich aufzubauen. Es drängte sich also förmlich auf, sich bei
Klaus zu einem solchen sogenannten ‚Intensivlehrgang Alpensegelflug’
anzumelden. Zwei meiner Salzburger Freunde, die seit einem Jahr den
Segelflugschein haben, waren sofort mit von der Partie. Leider war es
bereits relativ stark ausgebucht, so dass wir uns auf zwei Wochen
verteilen mussten. Also machten sich im Mai von Vorarlberg und Salzburg aus ein paar wissbegierige Segelflieger Richtung Serres auf. Der Verein stellte mir dazu unsere Pegase zur Verfügung. Die Anfahrt war relativ problemlos. Die Strecke von 636 km ist bis auf die letzten 75 km alles Autobahn. Trotzdem darf mit dem Hänger nicht allzu schnell gefahren werden, so dass man doch auf eine Fahrzeit von 8:45 Stunden kommt.
Als alter Windsurfer, der es gewohnt ist, immer dem Wind nachzufahren, konnte mich das aber nicht schrecken. Ich war zu aufgeregt, als dass ich noch bis Samstag warten konnte und so bin ich, den Beifahrersitz mit Jause und Getränken vollgeräumt, gleich noch am Freitagabend aufgebrochen. Wozu bis Samstag warten, wenn eh nix mehr zu tun ist. So konnte ich die Anreise wirklich locker angehen und bin am Samstag Nachmittag am Flugplatz in Serres angekommen und hab gleich mal Quartier bezogen. Meine Salzburger Freunde waren noch unterwegs und so konnte ich gleich mal die Lage peilen.
Unser
Appartement lag direkt neben der Piste. Also kurze Wege nach und vor dem
Fliegen – kein Nachteil!! Neben dem Appartement hätte man noch die
Möglichkeit, eines von 8 Chalets (2-3 Personen) zu mieten oder direkt am
Platz zu campen. Am Ankunftstag war offenbar kein so gutes
Segelflugwetter, denn die ersten Piloten landeten bereits am späten
Nachmittag und ich habe gleich mal mitbekommen, dass es wohl eine Gruppe
von Engländern nach Serres verschlagen hatte. Davon waren einige
Nationalmannschaftsteilnehmer, allesamt mit dem Besten, was auf dem
Flugzeugmarkt dzt. geboten wird, dabei. Von ihnen sollten wir noch einige
Anekdoten erfahren, aber davon später mehr. Auch erfuhr ich von zwei
gelandeten Piloten, dass Klaus mit einem Kursteilnehmer gerade eine
Außenlandung gemacht hat. Dabei überlies er ihm das bessere Feld. Bei
seiner Landung im hohen Gras beschädigte er seinen Doppelsitzer Calif so
sehr, dass er die kommende Woche eine ASK21 nehmen musste. Dies sollte
sich später als mein Glück herausstellen.
Nachdem meine zwei Salzburger Freunde eingetroffen waren, wurde per Los entschieden, wer mit wen ein zu kleines Doppelbett teilen durfte (musste!). Ich war einer der (un)glücklichen ‚Teilnehmer’ des Doppelbetts. Eine verstopfte Nase mit dem dazugehörenden Schnarchen meines Bettnachbars Alex bescherte mir zwei Nächte im Freien. Zum Ausgleich verbrachte er dafür ein paar Nächte im Auto und so kamen wir doch zu einem einigermaßen erholsamen Schlaf.
Versorgungstechnisch hatten wir keine Probleme. Nachdem der Bäcker täglich um 9 Uhr am Platz vorbeikommt, braucht man nur noch ein bisschen Obst und Müsliriegel für den Tag. Am Abend gingen wir entweder in den Ort zum Essen oder wenn gerade der Grill angeheizt war, verlegten wir unsere ‚Tagesbesprechungen’ eben dorthin.
Am Sonntag beginnt immer eine neue Runde und so waren wir zum täglichen Briefing mit der entsprechend hohen Erwartungshaltung geschlendert. Dieses tägliche Briefing dauerte meist zwischen 1 und 1.5 Stunden und ist sehr ausführlich. Man erkannte sofort, warum Klaus als Wellenspezialist gilt. Er analysiert die Großwetterlage im Zusammenhang mit den topografischen Gegebenheiten. Daraus ergeben sich of t durchaus großräumige Luftströmungen, die fast entgegengesetzt zur vorherrschenden Windrichtung laufen. Dieses Wissen kann einem unvorhergesehene Abwinde an normalerweise vielversprechenden Bergseiten ersparen und wiederum die richtige Richtung fürs Suchen der Aufwinde vorgeben. Wir konnten diese großräumigen Gegenströmungen bei unseren Flügen in der Praxis bestätigt finden.
Das Fliegen in der Gruppe läuft so ab, dass Klaus vorausfliegt und seine ‚Jünger’ wenn möglich im kurzen Abstand folgen. Er erklärt während des Fluges erstens die Landschaft, wobei ich mir natürlich die ganzen Namen eher nicht merken konnte, als auch die Überlegungen warum wie geflogen wird. Natürlich konnten wir ihn auch fragen, aber das kam leider viel zu kurz, da man von der Landschaft und den ganzen Eindrücken, speziell beim Flug in der Welle, zu beeindruckt war.
Der
Flugplatz von Serres hat eine relativ lange Graspiste mit einigen
‚Fallen’. Wenn man eine schlechte Spur erwischt, dann beutelt’s
einen beim Start ganz gewaltig. Dies bekam ich auch gleich beim ersten
Start zu spüren. So etwas hatte ich vorher noch nicht erlebt. Noch vor
dem Abheben schien sich im Cockpit schon alles zu verabschieden. Aber
offenbar ist das bei Graspisten, die ich noch nicht gewohnt war, eher
normal. Das alles wird noch durch eine Rückenwindkomponente beim Start,
und dadurch bedingter höherer Rollgeschwindigkeit verstärkt. An den
meisten Tagen hatten wir nämlich ziemlich starken Rücken- und Seitenwind
beim Start. Aus Sicherheitsgründen bei evtl. Seilriss nach dem Start,
bzw. um einen Start gegen das Lee eines vorgelagerten Berges zu vermeiden,
wird der Rückenwind als geringeres Übel in Kauf genommen.
Unser
Schlepppilot Jerome ist ein lustiger Kerl, auch wenn er nicht damit
rausrücken wollte, was die drei durchgestrichenen Flugzeuge
(Segelflugzeuge?) auf der Kabinenhaube seiner Maschine zu bedeuten haben.
Er hat sicherlich einiges an Flugerfahrung vorzuweisen, da er den ganzen
letzten Winter z.B. in Afrika im Flugeinsatz war und dort diverse
Transportflüge durchgeführt hat. Außerdem verlangt einem der Start und
die Landung hier in Serres bei starkem seitlichen Rückenwind einiges ab.
So geht’s nach dem Abheben, um den Leeturbulenzen eines Hügels neben
dem Pistenende zu entkommen, gleich mal links weg. Schön, dass der Platz
auf einer kleinen Anhöhe liegt. So hat man dann gleich ein paar
zusätzliche Meter an Höhe.
Die
Flugzeuge können über Nacht aufgebaut bleiben. Dies ist speziell bei der
Pegase mit ihren manuellen Ruderanschlüssen kein Nachteil. Am Morgen
können dann die Mücken vom Vortag, welche über Nacht vom Tau
aufgeweicht wurden, leicht entfernt werden.
Die Pegase hatte gegenüber der ASK21 bessere Eigenschaften im Gleitflug und stieg auch beim Kreisen geringfügig besser. Dies erlaubte, eigene Fehler im nachfolgenden Gleitflug wieder ‚automatisch’ wettzumachen, da beim Geradeausflug einfach auf die bessere Gleitzahl vertraut werden konnte. Wenn Klaus jedoch keinen Mitflieger hatte, dann ging er natürlich nicht mit dem Doppelsitzer sondern mit einer LS4 auf die Reise. Wenn das der Fall war, hieß es für mich ‚Heute gibt’s nichts zu lachen’. Die LS4 ist in allen Bereichen der Pegase überlegen und man kann sich vorstellen, wer eher einen Fehler macht – Klaus oder ich.
Leider
war ich der einzige in der Gruppe mit einem unterlegenen Flugzeug. Die
anderen hatten eine DG300 mit Winglets, eine LS4 und einen Ventus. So war
ich meist beim Vorflug um etliche Meter niedriger und dieser
Höhenunterschied kann, wenn z.B. nicht über dem Kamm geflogen werden
kann, einiges ausmachen. Ich musste daher des Öfteren ‚herumbasteln’.
Glücklicherweise hilft aber Klaus in brenzligen Situationen, kommt
herunter und fliegt vor. Solche Tage waren eine harte Nuss, aber dafür
hat man auch was ‚erlebt’ und gelernt.
Es
war unter anderem ganz interessant zu beobachten, dass das Profil der
DG-300 relativ mückenanfällig war. Diese DG-300 (mit Winglets), war am
Beginn der LS4 leicht überlegen. Die Pegase hatte sowieso wenig Chancen.
Je länger der Flug dauerte und damit die Flächen verschmutzt wurden,
desto mehr nahm die Leistung ab. Am Tagesende war sie der LS4 unterlegen
und die Pegase konnte zumindest im Geschwindigkeitsbereich um 120 km/h
mithalten.
Der ‚Intensivlehrgang Alpensegelflug’ geht über fünf Tage und kostet 425 Euro. Für jeden nicht fliegbaren Tag werden 85 Euro abgezogen. Aber ich glaube, es muss schon regnen, dass nicht geflogen wird. Wir sind also jeden Tag in der Luft gewesen und das nicht zu wenig. Es wurden im Schnitt bei 5.5 Stunden täglich meist zwischen 500 und 650 Flugkilometer zurückgelegt. Am letzten Tag, an dem dann jeder alleine geflogen ist, konnte ich bei anfangs bedecktem Himmel in der Zeit von knapp 5 Stunden eine Strecke von 320 Flugkilometern zurücklegen.
So kam ich auf eine Gesamtstrecke von über 3000 Flugkilometern und einer Flugzeit von 30.5 Stunden. Die Pegase lernte ich dabei als extrem gutmütiges Flugzeug kennen. Man sagte ja, dass sie nicht zu langsam geflogen werden sollte. In Wirklichkeit ist sie, zumindest bei der Schwerpunktlage mit meinem Gewicht von 70 kg + Ausrüstung, auch bei voll durchgezogenem Höhenruder im Sackflug über Quer- und Seitenruder steuerbar. Das Gleiche auch mit ausgefahrenen Bremsklappen oder im Kreisflug. Es ist sicherlich sehr schwer, sie ins Trudeln zu bringen. Ich hab’s jedenfalls nicht geschafft.
Wir
flogen also meist bis zum Abwinken um 20:00 Uhr und es waren sehr
beeindruckende Flüge. Für Klaus fangen die Wellen nicht erst in 4000
Meter Höhe an, sondern er spürt Rotoren oder Wellen hinter fast jedem
Bergrücken auf. So gab es auch trotz des nicht optimalen Wetters einige
Flüge in beeindruckenden Wellenbedingungen. Spannend waren die Abstiege,
welche durch Wolkengassen mit, zumindest meiner Einschätzung nach, sehr
trüber Sicht stattfanden. Einfach die Klappen ganz leicht gezogen immer
dem Vordermann nach und ihn nicht aus den Augen verlieren. Schon ein
bisschen unheimlich. Die Flugzeuge wurden insofern geschont, als dass
nicht in zu große Höhen aufgestiegen worden ist und wenn möglich der
Abstieg langsam erfolgte.
Ja und da waren noch die Engländer. Das war ein lustiger Haufen. Alle mit den neuesten Maschinen – meist vom Typ ASW ausgestattet – und auch fliegerisch top. Sie luden zweimal zum Barbecue ein, bei dem die wildesten Storys zum besten gegeben wurden. Bei ihnen zuhause ist ja die Wolkenbasis meist sehr niedrig und sie müssen halt damit klarkommen. Also was tun – hineinfliegen! Wir haben uns schon gewundert, warum jedes ihrer Flugzeuge mit künstlichem Horizont ausgestattet war. Weiters flogen sie jeden Tag mit vollen Wassertanks. Ich bin mir nicht sicher, ob die wirklich randvollen Tanks nur der Leistung oder des Spaßes wegen notwendig waren. Denn, je voller der Tank, desto mehr kann man ablassen. Und das ist ihr Hobby. Am Ende eines Tages werden dann vorzugsweise Bergwanderer in Formation ‚angegriffen’ und nass gemacht. Ihrem O-Ton nach müssten diese eben lernen sich zu tarnen und nicht in roter Kleidung übers Schneefeld laufen. Wenn keine lebenden Ziele mehr da waren, blieb der Rest für den nicht gerade langsamen Überflug am Platz übrig. Ihr Chairman schaffte immerhin 5 (fünf) Turns, bevor er zur Landung ansetzte. Andere Storys entbehren noch mehr einer Vorbildwirkung und sollten hier besser nicht wiedergegeben werden...
Was
kostet der Spaß? In dieser Woche habe ich alles in allem (Lehrgang,
Schlepp, Unterkunft, Maut, Benzin, Essen,...) ca. 1150 Euro ausgegeben und
finde, dass dieser Betrag eine gute Investition war. Ich kann es jedem
empfehlen, der in den Streckenflug einsteigen will. Serres und die
Umgebung (Gap, St. Auban, ...) sind sowieso in der Szene ein Begriff, die
Segelflugbedingungen dort sind wirklich großartig. Wahrscheinlich kommen
wir nächstes Jahr wieder, dann aber schon fliegerisch ‚auf eigene
Faust’.
Im
Internet gibt es mehr
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